Vorhofflimmern: Wie Smartwatches dazu beitragen können, das Herz zu schützen
Smartwatches sind aus unserem mehr und mehr digitalen Alltag kaum noch wegzudenken. Die schlauen Mini-Computer am Handgelenk sind das wohl bekannteste Beispiel der sogenannten „Wearable Devices“ - d.h. „tragbare Geräte“ oder kurz „Wearables“. Sie sind mit Sensoren ausgestattet und können, am Körper getragen, mittlerweile eine Vielzahl von Gesundheitsdaten messen und aufzeichnen. Dazu zählen in der Regel Schrittzahl, Kalorienverbrauch, Körpertemperatur und Pulskurven. Manche Geräte können ferner Blutdruck, Blutzucker, Atem- oder Herzfrequenz messen und sogar ein von den kardiologischen Fachgesellschaften anerkanntes Einkanal-Elektrokardiogramm (EKG) zur Erkennung von Herzrhythmusstörungen erstellen.1
Bei Sportlern beliebt zur Trainingsoptimierung
Im Leistungs- und auch im Freizeitsport haben sich Smartwatches und Fitness-Tracker schon lange etabliert. Sportler und Sportlerinnen optimieren mit den intelligenten Sensoren ihr Training und können so nachverfolgen, wie viele Kilometer sie bei welcher Herzfrequenz mit welchem Kalorien- und Sauerstoffverbrauch zurückgelegt haben.
Digital Health am Handgelenk
Insbesondere für das regelmäßige Erfassen von Gesundheitsdaten im Alltag rücken Wearables nun zunehmend in den Fokus der Medizin, denn damit können sie einen wichtigen Beitrag zu Prävention und Früherkennung von Krankheiten leisten. Sie sind ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten, die Digital Health (digitale Medizin) eröffnet: Die Digitalisierung hilft Ärzt:innen, Pfleger:innen, Patient:innen und Angehörigen in vielen Bereichen, die Effizienz der Gesundheitsversorgung zu verbessern.2
Vorhofflimmern: Symptome oft nicht eindeutig
Zum Beispiel bei Vorhofflimmern: Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die leicht zu übersehen ist, denn die Symptome sind häufig unspezifisch. Zu den Symptomen gehören vor allem Herzrasen und Herzstolpern, aber auch Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel und Schlafstörungen.3 Das macht es den Betroffenen selbst, aber auch ihren Angehörigen und sogar Ärztinnen und Ärzten häufig schwer, die Rhythmusstörung frühzeitig zu erkennen. Deshalb ist die Aufklärung über Vorhofflimmern, die Symptome und klinische Bedeutung als Risikofaktor für einen Schlaganfall so wichtig.
Herzerkrankungen im Fokus
Der Einsatz der Wearables kann auch für die Herzgesundheit, wie etwa bei Vorhofflimmern, bedeutsam sein – unter anderem dadurch, dass Smartwatches oder Fitness-Tracker Parameter wie Puls, Sauerstoffsättigung des Blutes oder gar ein EKG aufzeichnen können. Zwar ist auch das regelmäßige Pulsmessen morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen eine wirksame Maßnahme zur Erkennung von Vorhofflimmern, der häufigsten Rhythmusstörung überhaupt.4 Aber Wearables können die Signale des Körpers noch zuverlässiger im Blick behalten, Unregelmäßigkeiten rechtzeitig wahrnehmen und durch Warnmeldungen zum Arztbesuch auffordern.5
Diese digital gewonnenen Hinweise können dabei helfen, eine Behandlung rechtzeitig einzuleiten und das durch Vorhofflimmern bedingte Schlaganfall-Risiko zu senken.
Herzrhythmus dauerhaft im Blick
Eine Smartwatch oder ein Fitness-Tracker mit EKG-Funktion, die den ganzen Tag (und eventuell auch nachts) getragen werden, können über Pulsmessen hinaus eine ebenso komfortable wie wertvolle Ergänzung sein, um Unregelmäßigkeiten bei der Aktivität des Herzens festzustellen. Sie behalten die Pulswellen im Blick und können z.T. die elektrischen Impulse des Herzens in Form eines EKGs aufzeichnen. Die Erfahrungen von Kardiologinnen und Kardiologen mit den „EKGs aus dem Handgelenk“ sind sehr positiv. Studien haben gezeigt, dass EKG-Smartwatches in der Empfindlichkeit und Signalqualität bei der Erkennung von Vorhofflimmern einem herkömmlichen Langzeit-EKG nicht nachstehen.1
Expert:innen überzeugt, Laien oft noch skeptisch
Während Expertinnen und Experten Wearables als hilfreiche Digital Health-Lösung in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen loben1, glauben laut einer Civey-Umfrage nur etwa die Hälfte der Befragten über 65 Jahren, dass Smartwatches Rhythmusstörungen tatsächlich erkennen können.7 Nur 40 Prozent würden solche Geräte zur Überwachung ihrer eigenen Gesundheit verwenden, knapp die Hälfte lehnt dies eher ab.7 Selbst bei bereits von Vorhofflimmern Betroffenen steigt die Akzeptanz von Wearables kaum.7 Der Informationsbedarf zum Thema Vorhofflimmern und Wearables ist also groß. Gerade vielen älteren Menschen können Wearables als persönliche Gesundheitskontrolle und Motivationshilfe wertvolle Dienste leisten.
Tipps zum Umgang mit Smartwatches und anderen Wearables
Wearables können nur dann Gesundheitsdaten sammeln und das Herz im Blick behalten, wenn sie auch getragen werden.
- Bei sportlicher Betätigung sollten Wearables nach Möglichkeit immer im Einsatz sein. Das ist bei vielen Modellen auch beim Schwimmen oder bei Wassersportarten problemlos möglich.
- Besonders leistungsfähige Smartwatches müssen in der Regel täglich geladen werden. Wer keine Schlafprobleme hat und auf die Überwachung seines Schlafes verzichten kann, lädt die Uhr am besten über Nacht auf. Wer die Überwachung der Schlafphasen nutzen möchte, sollte die Uhr über Nacht tragen und zu anderen Tageszeiten immer wieder kürzer nachladen.
- Ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen die meisten Wearables übrigens erst in der Verbindung mit einem Smartphone oder PC.
- Eine Smartwatch mit EKG-Funktion kann sehr wertvoll sein, um den Herzrhythmus jederzeit im Blick zu haben. Bei Unregelmäßigkeiten oder dem Verdacht auf Vorhofflimmern sollte unverzüglich ein Arzt/eine Ärztin aufgesucht werden. Mit der Smartwatch aufgezeichnete Daten können im Gespräch für eine Ärztin oder einen Arzt erste wichtige Anhaltspunkte liefern.
Grundsätzlich gilt: Auffällige Messergebnisse, EKGs und Alarme von Wearables sollten immer von einer Ärztin oder einem Arzt überprüft werden. Die Erkennung von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern ermöglicht es Betroffenen, frühzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen und das Risiko von Schlaganfällen und anderen Folgeerkrankungen zu verringern. Allerdings können die Messungen durch äußere Einflüsse wie Bewegung, Hautfarbe und Tattoos beeinträchtigt werden, so dass sowohl Fehlalarme als auch das Nicht-Erkennen von Vorhofflimmern nicht auszuschließen sind. Smartwatches sind keine medizinischen Geräte im herkömmlichen Sinne und können die ärztliche Diagnose nicht ersetzen.
Was sagen die medizinischen Werte aus?
Um Vorhofflimmern zu erkennen und medizinische Daten zu erheben, nutzen Smartwatches unterschiedliche Sensoren und Techniken.
Verfahren zur Pulsmessung und Rhythmusanalyse
Viele Smartwatches verfügen über Infrarotsensoren an ihrer Unterseite, um die Herzfrequenz zu überwachen. Sie messen die Blutmenge, die durch das Handgelenk fließt. Diese Photoplethysmographie genannte Methode nutzt den Umstand, dass der rote Blutfarbstoff Hämoglobin Infrarotlicht besonders gut aufnimmt.2,8 So wie sich die Blutmenge in den Adern mit dem Herzschlag ändert, steigt oder fällt auch die vom Sensor registrierte Lichtmenge. Bei der Erkennung von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern analysieren diese Sensoren die Unregelmäßigkeiten im Herzschlagmuster über einen Zeitraum hinweg.8
Gut für Sie:
- Kontinuierliche Überwachung: Die kontinuierliche Herzfrequenzüberwachung ermöglicht die Erkennung von unregelmäßigen Mustern im Herzschlag, auch wenn die Betroffenen keinerlei Beschwerden verspüren.
- Benutzerfreundlichkeit: Diese Sensoren erfordern keine spezielle Handhabung oder Positionierung und sind in den meisten Alltagssituationen bequem zu tragen.
Bitte beachten:
- Begrenzte Genauigkeit: Optische Sensoren können anfällig für Bewegungen des Nutzers sowie Veränderungen des Umgebungslichtes sein. Diese Faktoren können die Genauigkeit der Messung beeinträchtigen
- Optische Sensoren können Hinweise auf mögliche Probleme liefern, sie sind aber nicht so zuverlässig wie eine Aufzeichnung der elektrischen Herzaktivität.
Einige fortschrittlichere Smartwatches sind zusätzlich zu den optischen auch mit EKG-Sensoren ausgestattet. Diese messen die elektrischen Signale des Herzens und zeichnen über 30 Sekunden eine Herzstromkurve, ein sogenanntes Elektrokardiogramm (EKG), auf.2 Dafür muss die Uhr ruhig gehalten werden und ein Finger der gegenüberliegenden Hand die in der Krone eingebaute Elektrode berühren.8 Anhand der Herzstromkurve kann eine App auf der Smartwatch oder dem gekoppelten Smartphone typische Anzeichen für ein Vorhofflimmern erkennen und melden. Die EKG-Kurve kann auch für weitere Diagnostik sehr hilfreich sein, vor allem bei sporadisch auftretendem Vorhofflimmern.1,8
Gut für Sie:
- Hohe Genauigkeit: EKG-Sensoren liefern präzise elektrische Signale des Herzens, was zuverlässigere Daten für medizinische Zwecke ermöglicht.
- Diagnosefähigkeit: Die detaillierten Daten können gespeichert werden und Grundlage für die Diagnosestellung durch eine Ärztin oder einen Arzt sein.
Bitte beachten:
- Die EKG-Funktion muss manuell aktiviert und die Uhr entsprechend positioniert werden, was zu einer gewissen Einschränkung der Benutzerfreundlichkeit führt.
- Da die EKG-Aufzeichnung nicht kontinuierlich erfolgt, ist es möglich, dass nicht alle unregelmäßigen Ereignisse erfasst werden.
Erhebung weiterer Gesundheitsdaten
Neben der Messung der Herzfrequenz ermöglichen einige Smartwatches auch eine Blutdruckmessung. Damit kann der Blutdruck unkompliziert und regelmäßig überwacht werden, was dabei helfen kann, einen Bluthochdruck frühzeitig zu erkennen. Die meisten Geräte verwenden dafür optische Infrarotsensoren wie bei der Pulsmessung, um Druckänderungen in den Blutgefäßen zu messen und den Blutdruck indirekt zu schätzen.8 Um die Genauigkeit zu erhöhen, müssen diese Uhren einmal im Monat mit einem Manschettenmessgerät geeicht werden.8 Zudem ist die Messung sehr störanfällig.8 Da solche Smartwatches den Blutdruck nur indirekt per Software messen, können die Werte einen Trend anzeigen, aber keine exakten Ergebnisse liefern.8 Wer bereits wegen Bluthochdrucks oder einer anderen Kreislauferkrankung in Behandlung ist, sollte also besser auf ein klassisches Blutdruckmessgerät setzen. Als etwas zuverlässiger gelten solche Smartwatches, die wie ein herkömmliches Blutdruckmessgerät mit einer ins Armband eingearbeiteten Druckmanschette arbeiten.8
Um zu erkennen, wie sauerstoffbeladen die roten Blutkörperchen sind, nutzen Smartwatches die sogenannte Pulsoxymetrie: Sauerstoffbeladenes Hämoglobin nimmt überwiegend rotes Licht auf und erscheint somit hellrot, während der ungesättigte rote Blutfarbstoff vor allem Licht im Infrarotbereich absorbiert und dadurch dunkelrot bis bläulich erscheint. Eine Smartwatch rechnet diese Farben in Sauerstoffsättigungswerte um.8 Während gesunde Menschen eine Sauerstoffsättigung von mehr als 93 Prozent haben, deuten niedrigere Werte darauf hin, dass das Blut in der Lunge nicht genug Sauerstoff aufnimmt oder der Sauerstofftransport nicht richtig funktioniert.8 Auf diese Weise lassen sich mitunter frühzeitig Hinweise auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen entdecken. Es ist aber wichtig zu wissen, dass die Blutsauerstoffmessung per Smartwatch keine exakten Werte wie ein Labor liefert, sondern nur eine Schätzung. Bei Kälte oder niedrigem Blutdruck kann sie völlig falsche Werte liefern.8
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ BIETET GROßE CHANCEN
Ein weiteres großes Thema für Digital Health ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für Diagnostik und Therapie. Smartwatches und Fitness-Tracker mit EKG-Funktion liefern eine Vielzahl von Datenpunkten, die sich mithilfe Künstlicher Intelligenz auswerten und für die Vorhersage von Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern nutzen lassen. Viele Datenpunkte sind für KI-Anwendungen entscheidend, denn sie sind die Grundlage dafür, dass diese „smarten Systeme“ lernen und immer treffsicherer werden. So wie Kardiolog:innen im Laufe der Jahre gelernt haben, wie ein bestimmtes Herzproblem im EKG aussieht, lernt auch die Künstliche Intelligenz, in den EKG-Daten der intelligenten Sensoren komplexe Herzerkrankungen zu erkennen. Auf „Big Data“ basierende Anwendungen der Künstlichen Intelligenz könnten dann in Zukunft die individuelle Risikoabschätzung verbessern, zum Beispiel durch die Vorhersage einer künftigen Entwicklung wie Vorhofflimmern, noch bevor erste Symptome auftreten.6
Quellen:
- Veltmann C, Ehrlich JR, Gassner UM, et al. Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Kardiologe. 2021;15:341-353. https://link.springer.com/article/10.1007/s12181-021-00488-3.
- Vardas PE, Asselbergs FW, van Smeden M, Friedman P. The year in cardiovascular medicine 2021: digital health and innovation. Eur Heart J. 2022;43(4):271-279.
- Kip M, et al. Weißbuch Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern. Thieme Verlag. 2015.
- Wynn GJ, et al. The European Heart Rhythm Association symptom classification for atrial fibrillation: validation and improvement through a simple modification. Europace. 2014;16:965-972.
- Meinertz T. Nutzt eine Smartwatch Herzpatienten wirklich? Deutsche Herzstiftung e.V. Online-Quelle: https://herzstiftung.de/ihre-herzgesundheit/leben-mit-der-krankheit/smartwatch-fuer-herzpatienten. Letzter Zugriff am 19.10.2023.
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. 88. Jahrestagung der DGK. Revolution in der Rhythmusdiagnostik: Mit künstlicher Intelligenz in die Zukunft. Online-Quelle: https://dgk.meta-dcr.com/jt2022/events/2022-04-23-11-30-revolution-in-der-rhythmusdiagnostik-mit-kunstlicher-intelligenz-in-die-zukunft. Letzter Zugriff am 08.11.2022.
- Civey-Umfrage für Initiative Herzstolpern 2022.
- Prang M. Medizinische Messungen: Wie verlässlich ist die Smartwatch? Apotheken Umschau 2022. Online-Quelle: https://www.apotheken-umschau.de/e-health/wie-verlaesslich-ist-dr-smartwatch-874659.html. Letzter Zugriff am 19.10.2023.